Samstag, 27. November 2010

Kleine Zwischenmeldung: "die Welt ist klein"

Dass Frankreich nicht so weit von Deutschland ist, war mir natürlich bewusst. Immerhin gibts Mitfahrgelegenheiten für 35 € und die Bahn braucht ca. 3/1/2 Stunden von Köln bis Paris. Aber trotzdem hätte ich nicht gedacht, wie gering die Distanz manchmal sein kann: gestern habe ich beim Entladen des LKWs an der Fontaine den Karton eines Umzugunternehmens aus dem Bergischen gesehen. Dessen Geschichte hätte ich doch zu gern gekannt... Noch überraschter war ich allerdins, als ich heute auf der Straße in irgendeinem Vorort jemanden mit einer akzenta Tüte gesehen habe. Für alle Nicht-Wuppertaler: akzenta ist ein Supermarkt, den es nur in Wuppertal gibt. Meine Schlussfolgerung daraus: die Welt ist klein und Paris ist groß, also kann das durchaus sein...
Schönen Abend!

Freitag, 26. November 2010

Winter!

Ca y est: der Winter steht vor der Tür und schneit doch gleich mal herein. Seit gestern ist es hier deutlich kälter und heute ist zum ersten Mal deutlich Schnee gefallen, auch wenn dieser noch nicht liegen bleibt. Nun heißt das zum einen, dass ich bereits eine von vier Jahreszeiten in Frankreich verbracht habe, und zum anderen, dass die nächste und damit Weihnachten ansteht. Aber ich freue mich über den Schnee. Lieber ist es knackig kalt und es schneit, als dass das matschig verregnete Wetter einem die Laune verdirbt. Nun, Antony kann sich noch nicht so recht mit dem Wetter anfreunden. Für ihn ist es der erste Winter seines Lebens und bisher findet er es nicht so toll wie er es sich durch Filme immer vorgestellt hat. Naja, wenn er erst die richten Klamotten, eine ordentliche Schneeballschlacht und einen Ausflug ins (hoffentlich) verschneite und weihnachtliche dekorierte Paris hinter sich hat, gefällt’s ihm sicher besser. Für mich ist der Schnee natürlich nichts neues, auch wenn in Deutschland nicht ganz das Klima herrscht, wie es hier anscheinend manche denken. Deren Vorstellungen erinnern mich eher an Russland. Wär mal interessant zu wissen, was man dort von meinen Vorstellungen über deren Wetter hält…

Meinem Rücken geht es übrigens besser und ich arbeite mich Schritt für Schritt wieder an meine Normalform heran, das heißt, ich bin die Woche wieder mit dem LKW auf den Straßen rund um und in Paris unterwegs. Dabei hören wir immer Radio und so ist mir eine Sache aufgefallen, die ich so aus Deutschland nicht kenne, was vielleicht nur daran liegt, dass ich da nie Radio höre: es laufen regelmäßig während der Werbung Ansagen der Regierung. So laufen im Moment einige Spots zur Rentenreform und zur Mülltrennung und Ökologie. Wie ich finde eine deutlich offensivere Art der Darstellung und Promotion der eigenen Politik als es in Deutschland üblich ist.

So, da es nun wirklich Winter ist und ich mich also auch auf die weihnachtszeitlichen Erscheinungen einlassen kann, werde ich am Wochenende wohl mal nach Paris und mir die diese Woche eröffnete Weihnachtsbeläuchtung anschauen. Besonders die Champs-Elysées sind komplett beleuchtet, was sicher abends schön aussieht. Außerdem werd ich mal nen Weihnachtsmarkt suchen, um zu gucken, wie die im Vergleich mit denen aus Deutschland aussehen. Wobei ich sagen muss, dass ich absolut kein Fan von Weihnachtsmärkten bin.

Ein gutes Wochenende und einen schönen ersten Advent also!!

Donnerstag, 18. November 2010

Allez allez allez!

Gestern war ein erfreulicher Abend (zumindest für mich als Fan der "Bleus")! Im prestigeträchtigen Testspiel im berühmten Londoner Wembleystadion hat Frankreich gestern die Gastgeber mit 2:1 geschlagen und diese zudem über die meiste Zeit dominiert. Damit hat das leider unvergessliche Jahr 2010 für Frankreichs Fußball und für mein Fanherz doch noch ein gutes Ende genommen. 2011 geht dann hoffentlich so weiter, beginnend mit einem Freundschaftsspiel gegen Brasilien hier in der Nähe im Stade de France. Das werde ich mir nicht entgehen lassen und mir einen langen Traum erfüllen: ein Spiel von Frankreich im Stadion zu sehen! Für alle die es interessiert gibts unten die Highlights des Spiels.

Für mich persönlich war der Tag gestern nicht so gut, da ich mir bei der Arbeit den Rücken gezerrt habe, was besonders gestern sehr schmerzend war. Inzwischen geht es aber besser, ich war heute beim Arzt und darf jetzt eine Woche nichts schweres tragen. Werde also die nächste Woche meinen eigentlichen Job nicht ausüben können, sondern wieder die Navette, den Zubringer, machen. Noch ärgerlicher ist, dass ich jetzt zwei Wochen lang keinen Sport machen kann. Und das, wo ich mich erst vor zwei Wochen in einem Fitnessstudio angemeldet habe - verdammt! Denn eigentlich hat es mir dort gefallen und ich gehe eigentlich regelmäßig hin. So habe ich etwas Abwechslung zum Communityleben und halte mich fit. Jetzt werde ich die spätherbstlichen Abende halt erstmal wieder zuhause verbringen. A propos spätherbstlich: hier geht es immer stärker auf Weihnachten zu. Zwar habe ich noch keinen Weihnachtsmarkt gesehen, während ich aus Deutschland schon von deren Eröffnung gehört habe, aber die Deko hängt in den Straßen und die Schokoweihnachtsmänner versammeln sich zu ihrer alljährlichen Parade in den Regalen der Supermärkte. Und so merke ich, wie schnell die Zeit vergeht... Ich freue mich aber darauf, Paris in richtiger Weihnachtsatmosphäre zu sehen und hoffe sehr auf Schnee! Für Antony ist es übrigens der erste Herbst und es wird auch der erste Winter. In Uganda ist nämlich das ganze Jahr über ungefähr das gleiche Wetter. Schon jetzt ist es also für ihn ungewöhnlich, vor allem ungewöhnlich kalt.

Ich freue mich übrigens auch auf Montag, da kommt das neue Album von Booba, einem meiner französischen Lieblingsrapper, auf den Markt!

A bientôt!

Samstag, 6. November 2010

Bilder aus Paris

Oh Mann, jetzt sind wir wirklich im Herbst. Oder sagen wir: im leider viel zu langen, dunklen, kalten Part des Herbsts. Ich geh morgens aus dem Haus wenn es noch dunkel ist und komme abends erst wieder zurück wenn es schon wieder dunkel ist. Naja, so geht es wohl den Meisten zuhause, ich finds aber jedes Jahr aufs neue traurig. Ich fahre jedenfalls immernoch einen der Laster über den Pheripherique nach Paris, um dort entweder Dinge auszuliefern oder einzusammeln. Wenn man Pech hat, steht man dann die Hälfte der Zeit im Stau, fährt um 6:30 los, kommt um 12:00 wieder, macht sich um 12:30 wieder auf den Weg und kommt erst um 17:00 wieder an. Das Ganze im strömenden Regen, ebenso wie das Entladen das Lasters am folgenden Morgen, weil man es abends nicht mehr geschafft hat. Aber es ist trotzdem interessant auf dem LKW zu sein, weil man einfach viel rumkommt und ganz verschiedene Ecken in der Region kennen lernt.
Bevor hier alles schlagartig ein nasses Grau angenommen hat, war es in den letzten Wochen wirklich schön zu sehen wie sich hier langsam alles verfärbt und sich die Stimmung ändert. Habe das mal versucht einzufangen auf Rad- und Fußtouren nach und durch Paris...
PS: ich habe schon zwei Spekulatiustüten gegessen, die ich extra aus Deutschland bekommen habe. Kulturaustausch hin oder her, aber Winterzeit ohne Spekulatius? Nein! Umso erfreuter war ich, als ich im Supermarkt einen Schokocremeähnlichen Brotaufstrich gefunden habe, der Spekulatius geschmackt hat!! Da konnte ich nur zugreifen! Es schmeckt tatsächlich wie Spekulatius bzw. ein bisschen wie diese Kekse, die man oft zum Kaffee bekommt. So oder so, scho verdammt fett ;)




















Fotos aus Neuilly-Plaisance

Ein paar Bilder von der Communauté und meinem Zuhause... die Büste zeigt übrigens Emmaüs Gründer Abbé Pierre.















Montag, 1. November 2010

Paris en faits divers

So... nun ist wieder ein bisschen Zeit vergangen und so ist auch wieder einiges passiert. Ich habe endlich ein Fahrrad und damit auch gleich zwei Mal ne Tour bis Paris gemacht. Ich war wirklich positiv überrascht, wie schön die Strecke ist. Der erste Teil der Strecke führt an der Marne entlang, ein Fluss, der später in die Seine mündet. Die Strecke ist perfekt für einen Spaziergang, zum Joggen, oder eben zum Fahrradfahren. Links immer das Wasser, rechts ein schickes Häuschen nach dem anderen, alles sehr ruhig und begrünt. Ich hätte wirklich nicht gedacht, so einen Weg hier zu finden, da die Region hier sonst sehr zugebaut ist und sich Commune an Commune reiht. Da werde ich aber wohl noch öfters radeln oder joggen. Nach einigen Kilometern macht die Marne eine Biegung nach links, ich biege jedoch nach rechts ab, erklimme einen kleinen Hügel und erreiche so den Bois de Vincennes. Das ist ein großer Park, fast schon ein Wald, der zu Paris gehört, aber außerhalb der Peripherie ist. Hier gibt es viele Wander- und Radwege, auch hier kann man also wunderbar spazieren. Mit dem Rad durchquere ich den Park einmal komplett und komme am Ende beim Chateau de Vincennes raus, einer alten Festung vor den Toren vor Paris. Beeindruckend! Allerdings geht es dann noch weiter. Über die Porte de Vincennes fahre ich nach Paris rein und dann über Nation und Bastille bis zur Notre Dame - insgesamt ca. 25 km. Verdammt cool und dabei noch eine sehr schöne und entspannte Strecke, um von mir bis nach Paris zu gelangen. Vor allem habe ich schon wieder so viele neue kleine Orte gesehen, die man normalerweise nicht unbedingt wahrnimmt - der große Vorteil, wenn man mit dem Rad unterwegst ist. Mit dem RER kann ich das Rad zum Glück mitnehmen, also werde ich bald wohl auch in Paris auf Entdeckungstour mit zwei Rädern sein.
Vor zwei Wochen war ich allerdings mit dem RER in Paris, wo ich mich mit meinem Vater und seiner Freundin Claudia getroffen habe, um ihnen ein bisschen von Paris zu zeigen. Lisa war ebenfalls da und abends waren wir alle essen. Die in Paris lebende Cousine von Claudia hat uns also in "das" Restaurant für französische Küche in Paris geführt. Von der Einrichtung wirklich nett, vom Essen her für Vegetarier leider nicht so toll - die französische Küche ist einfach nicht für Vegetarier gemacht. Immerhin der Nachtisch war lecker, auch wenn wir uns danach nicht lange zum genüsslichen Verdauen zurücklehnen konnten. Der Chef des Restaurants forderte uns recht schroff dazu auf, das Restaurant zu verlassen, da er den Platz für andere Gäste bräuchte. Eine ziemliche Frechheit, wie wir fanden. Beim Verlassen des Restaurants, immernoch aufgebracht, wurde uns allerdings klar, dass wir ziemlich Glück hatten, da wir direkt einen Platz bekommen hatte. Die Schlange vor dem Laden war gute 200 m lang! Das habe ich nocht nicht erlebt! Plötzlich erschien also alles in einem ganz anderen Licht, wir hatten anscheinend wirklich in einer Topadresse gespeist. Gut, brauch ich jetzt nicht wirklich, war aber mal ein Erlebnis!
Ein weiteres kurioses Erlebnis hatte am Montag. Mit Anthony und dessen Freundin war ich in Paris, um ihnen ebenfalls die Stadt zu zeigen. Ich leiste ja wirklich gerne meinen Teil, um die Menschen von dieser Stadt zu begeistern. Obwohl ich eigentlich nicht viel machen muss, die Stadt weiß schon selbst von sich zu überzeugen. Allerdings wollen da wohl nicht alle mitspielen. Als wir an La Défense aus der Metro kamen, wurden wir von einen Polizisten aufgefordert, zur Seite zu kommen. Ich war erstmal geschockt und dachte, hier ginge es vielleicht um eine Verwechslung. Jedenfalls wurden wir von Kopf bis Fuß abgetastet, die Taschen kontrolliert und unsere Identität geprüft. Danach konnten wir gehen, die Erklärung des Polizisten war, es handele sich um Routineüberprüfungen. Ich bin mir da allerdings nicht so sicher, es sah eher aus, als würden sie nach Drogendealern suchen. Mit einer Cap und einem dunkelhäutigen Freund unterwegs sieht man wohl eher verdächtig aus... Naja, ist ja nichts passiert und lächerlich war es auch, aber auch mal ne Erfahrung.
Sooo, jetzt geh ich mal wieder nach Hause, morgen muss ich wieder arbeiten. Fotos folgen aber!!

Mittwoch, 13. Oktober 2010

So langsam lebt es sich ein

Die Zeit kann ganz schön schnell vergehen… und so ist schon wieder einiges passiert hier in Neuilly-Plaisance. Seit gestern ist zum Beispiel ein großer Streik, der dritte seit meiner Ankunft in Frankreich. Große Teile des öffentlichen Lebens sind lahmgelegt oder zumindest gestört, wovon ich aber nicht so viel mitbekomme. Ich bin um Viertel nach sechs aufgestanden und hab gegen halb acht mit der Arbeit angefangen. Neue Uhrzeit also, weil auch eine neue Aufgabe. Nachdem ich in der ersten Woche im Lager und im Verkauf geholfen habe, war ich die letzte Woche auf einem der LKWs, die in der région parisienne herum fahren und bei Leuten alte Möbel etc. einsammeln bzw. Lieferungen tätigen, d.h. im Laden gekaufte (Kühl)Schränke etc. zu den Kunden bringen. Die schlechte Nachricht zuerst: ich musste um 5:30 aufstehen, der LKW fuhr um Viertel vor 7 spätestens los. Andernfalls würde man nach Paris rein statt einer halben möglicherweise zwei Stunden brauchen. Daraus ergibt sich aber die gute Nachricht: ist man auf einem der LKWs, kommt man viel rum und sieht wirklich alle möglichen Orte in Paris und Banlieue. Vom Plattenbaubezirk zur Einfamilienhausidylle, vom 11. Arrondissement bis zum Department 94, man bekommt ganz verschiedene Eindrücke von der Gegend, den Leuten und ihrem Leben. Mal kommt man morgens in der Dunkelheit in Paris an, um aus dem vierten Stock eine Waschmaschine die Treppe runterzutragen, mal liefert man nachmittags einen Schrank in einem Vorort aus. Wenn man schnell ist und die Straßen frei sind, kann man dann schon einmal gegen halb elf fertig sein, hat also bis zum Mittagessen um zwölf Zeit. Wenn man Pech hat braucht man aber auch manchmal zwei Stunden, um in Paris anzukommen und ist erst um sechs Uhr abends fertig, also eine Stunde nach den anderen. Meistens waren wir aber früher fertig, was auch gerecht ist, schließlich steht man eine Stunde früher auf und macht nach dem Mittagessen direkt weiter, anstatt sich noch ein Stündchen auszuruhen.

Meine letzte Woche habe ich also als Teammitglied auf einem der LKWs verbracht, gestern saß ich dann direkt selbst hinterm Steuer. Ich habe zwar „nur“ den Transfer zwischen unserer Communauté und dem Lager „La Fontane“ übernommen, das heißt, morgens die der Communauté überlassenen Sachen zum Lager, dann die verkaufsfertigen Waren zurück und so weiter, aber trotzdem ist es schon ein Sprung, vom Corsa zuhause über den Kangoo in Étoile bis zum IVECO Transporter, bei dem man hinten im Grunde nichts sieht. Hat aber trotz des ziemlich plötzlichen Sprungs ins kalte Wasser ziemlich gut geklappt, ich bin schon dabei, mich an den Wagen zu gewöhnen, und so werde ich für den Rest der Woche diesen Job übernehmen.

Wenn ich nicht arbeite, lebe ich mich weiter hier ein, erkunde den Ort (auf der Suche nach Grünflächen zum Spazieren, Joggen oder Fahrradfahren), habe mir ein Fahrrad im Lager besorgt, was jetzt flott gemacht wird, oder fahre mit Anthony nach Paris, um ihm eine kleine Stadteinführung zu geben. Irgendwie schon cool, dass ich die wichtigsten Dinge finde, ohne groß auf den Plan zu gucken, aber auch weiß, wo gute Läden sind oder man günstig Essen kann. Allerdings fehlt mir noch das Wissen über gute und günstige Cafés, Restaurants und Clubs. Daran werde ich mich dann demnächst machen…

PS: ich genieße es sehr, französisches TV sehen zu können, bzw. die Spiele der „Bleus“! Unter Laurent Blanc geht es endlich aufwärts, so scheint es. Samstag gegen Roumänien 2:0, gestern gegen Luxemburg 2:0, d.h. erster Platz in der Qualigruppe für die Euro!


Unten sind noch ein paar Bilder aus der Zeit in Étoile, Bilder von hier kommen.

Dienstag, 12. Oktober 2010

Fotos aus Étoile (Nachtrag)

Noch nachträglich ein Bilder von meiner Zeit in Étoile. Vom Seminar mit den anderen Freiwilligen, Ausflügen nach Lyon, Valence und Crest, meinem Einzelzimmer und dann dem Gruppenschlafsaal, der Fahrradtour und meinem Gepäck auf der Reise nach Paris.

















Sonntag, 3. Oktober 2010

Am Ziel: Neuilly-Plaisance

Da bin ich also, endlich, wirklich. Und ich habe das Gefühl, dass das Jahr jetzt erst richtig losgeht. Alles vorher war irgendwie nur Vorbereitung, war noch nicht ernst. Jetzt wird’s ernst. Am Dienstag war der letzte Morgen in Étoile und um halb 12 ging es zusammen mit anderen Freiwilligen, die über Paris gefahren sind, in Richtung Ziel. Zwei Stunden später habe ich mich dann von Chiu-Hua und Andrea, die beide in Vitré in einem Projekt sind, Catherine, unserer Betreuerin, und Peter, dessen Projekt nördlich von Paris ist, verabschiedet und habe zum ersten Mal den RER A, der mich von nun an mit der Seine-Metropole verbinden wird, in Richtung Marne-La-Valée genommen. Eine Viertelstunde später bin ich dann in Neuilly-Plaisance angekommen. Oliver, einer der beiden Verantwortlichen von Emmaüs Neuilly-Plaisance hat mich abgeholt und mich zunächst zu meiner Unterkunft für dieses Jahr gebracht. Es handelt sich dabei um ein kleines älteres Wohnhaus, in dem ich mit 7 Companions untergebracht bin. Ich muss zugeben, dass ich zunächst ein bisschen geschockt war von dem Haus, das insgesamt recht verwahrlost und dreckig aussieht. Ich wusste ja, dass ich keine Luxusherberge vorfinden würde, aber trotzdem war es für mich zunächst ein komisches Gefühl. Ähnlich habe ich mich gefühlt, als ich die Treppen hochstieg und mein Zimmer betrat. Nicht nur, dass es ziemlich nach Rauch stank, es war auch unordentlich und die Gardinen am Fenster sahen ziemlich unschön und verqualmt aus. Das Badezimmer direkt gegenüber, dass ich mir mit einem weiteren Companion teile, wobei ich nicht weiß, ob die anderen aus dem Haus es auch benutzen, sah so aus als wär es schon lange nicht mehr geputzt worden. Und das sag ich, der das Putzen des Bades gerne mal vergisst!
Ich hab dann aber erstmal meine Sachen dort abgestellt und Oliver hat mich zur eigentlichen Emmaüs Communauté gebracht. Die ist von meinem Haus nur ca. 5 Minuten zu Fuß entfernt und besteht aus dem Haupthaus mit Büros, Empfang, Aufenthaltsraum, Speisesaal und Unterkünften, einem weiteren Gebäude, in dem Companions wohnen, einem großen Hof, auf dem Möbel zum Verkauf rumstehen, mehreren großen Hallen, die als Verkaufsraum für Möbel, Elektrogeräte, Kleidung, Bücher etc. dienen, und weiteren Gebäuden, darunter eine Hütte, in der Jeder jederzeit den Kram, den er Emmaüs zum Verkauf überlassen will, abstellen kann. Außerdem befindet sich auf dem Gelände ein kleines Ziegengehege, in denen Nicolas und Carla (nicht Sarkozy/Bruni) wohnen. Im Haupthaus war übrigens die erste Emmaüs Gemeinschaft überhaupt, 1949 von Abbé Pierre gegründet, untergracht. Kommt man die Treppen zum Eingang hinauf, empfängt einen eine große Büste von ebendiesem. All das hat mir Oliver gezeigt, bevor er noch ein paar Dinge erledigen musste und mich für den Rest des Abends allein gelassen hat. So hab ich mich dann auch erstmal ein gefühlt. Neu unter all diesen Menschen, neu in dieser Organisation, neu in meinem neuen Zuhause, in dem ich mich noch so gar nicht zuhause fühlen konnte. Das Abendessen war ebenfalls eher ernüchternd, zumal ich nicht wusste, zu wem ich mich setzen konnte oder sollte.
Später am Abend ist auch der zweite Freiwillige, Anthony aus Uganda, eingetroffen. Er konnte auf Grund von Visa-Problemen nicht am Vorbereitungsseminar in Étoile teilnehmen. Mit ihm fühlte ich mich aber ein bisschen weniger einsam, zumal für ihn, der kein Französisch spricht und nie in Frankreich war alles noch viel neuer und fremder sein musste als für mich. Zusammen wurden wir dann am nächsten Tag ein bisschen rumgeführt und haben die verschiedenen zu Emmaüs gehörenden Einrichtungen gesehen. Da ist zum einen die Emmaüs Gemeinschaft Neuilly-sur-Marne, die nur ca. 2 km entfernt ist und mit Neuilly-Plaisance zusammen arbeitet (eine baldige Zusammenlegung ist geplant). Bisher gibt es auch dort Arbeitsstätten, Verkaufsräume und Unterkünfte. Schließlich gibt es noch „La Fontane“, ein großes Gebäude, in dem sich Werkstätten und Lager befinden. Hier kommen täglich LKW Ladungen von Dingen an, die Emmaüs zum Verkauf überlassen wurden. Unseren ersten Arbeitstag haben Tony ich in La Fontane verbracht. Wir haben beim Be- und Entladen sowie beim Selektieren der ankommenden Ware geholfen. Direkt im Eingangsbereich wird getrennt nach Geschirr und diversem Kleinkram (bric-à-brac), Technik, Büchern, Kleidung, Spielzeug und Möbeln. Kisten werden sortiert und neu gepackt, manche Teile entsorgt, andere repariert und schließlich wieder in die LKWs verladen, die die Sachen nach Neuilly-sur-Marne oder Neuilly-Plaisance zum Verkauf bringen. Auch am zweiten Arbeitstag, Donnerstag, waren Tony und ich in La Fontane. Die Arbeit ist gar nicht so schlecht und hat zudem einen kleinen Trainingseffekt durch das Herumtragen von Kisten und dem Entladen von Kühlschränken. Vor allem aber ist es interessant zu sehen, was die Leute alles so besitzen und irgendwann weggeben. Bei Emmaüs kommt wirklich alles an! Eine Aufzählung an Sachen, die ich allein an den zwei Tagen gesehen und in den Händen hatte, macht keinen Sinn – es gibt fast alles was man sich vorstellen kann. Praktisch ist das für uns, die dort arbeiten. Wenn wir was brauchen, können wir das in der Regel nehmen. Wenn wir es auch nicht mehr brauchen, geben wir es einfach zurück.
So haben Tony und ich inzwischen auch unsere Zimmer wohnlich gemacht. Ich habe eine kleine Stereoanlage, er hat einen Schrank für seine Klamotten. Alles was sonst so im Zimmer rumflog, haben wir rausgebracht. Besonders ein Tonys Zimmer lag wirklich unglaublich viel Müll rum, jetzt ist es wirklich nett. Auch ich bin mit meinem Zimmer zufrieden. Eventuell besorg ich mir noch einen kleinen Schreibtisch, sonst ist erstmal alles da. Bett, Schrank, Kommode, Stuhl, Fernseher, Nachttisch, Kühlschrank, Spiegel. Habe auch durchgewischt und nun riecht es nicht mehr so stark nach Rauch. Ich lebe mich also von Tag zu Tag ein. Noch habe ich mich aber nicht ans frühe Aufstehen (6:30) und die Tatsache, dass es noch dunkel ist, wenn ich zum Frühstück gehe (7:00), gewöhnt. Außerdem muss ich mich erst wieder darauf einstellen, dass ich abends wieder früher ins Bett muss. Lebe halt jetzt das Leben der normal arbeitenden Menschen.
Ungewohnt ist für mich auch das Essen, denn es gibt meisten Fleisch und dann oft nur ein bisschen Gemüse dazu. Mittags sind die Portionen außerdem relativ eingeschränkt, da dieses Essen für alle Pflicht ist und so immer um die 50 Leute im Speisesaal sind. Beim Abendessen herrscht keine Pflicht und viele Essen bei sich oder außerhalb. So kann man sich dann da eher den Bauch voll schlagen. Heute gab es auch zum ersten Mal Nudeln, außerdem Kroketten vom Mittagessen, ich habe also ordentlich zugeschlagen! Was es aber immer gibt, ist Baguette (morgens, mittags, abends) und Käse. Und mangels Gouda bin ich grade dabei, auf „echten“ Käse umzusteigen. Ist halt nur der da, also ess ich denn. Und ich gewöhn mich dran! Wenn ich zurück komme, kann ich wahrscheinlich keinen jungen Gouda mehr essen, weil der dann für mich zu wenig Geschmack hat.
Gestern war hier ein großer Sonderverkaufstag. Wir hatten also ein noch größeres Angebot als sonst und ein paar Preisaktionen. Und so haben sich die Leute nur so auf den Geschirrstand, an dem ich gearbeitet habe, gestürzt! Besonders am Anfang war es wirklich ein Kampf und man musste den Leuten erstmal begreiflich machen, dass sie nicht einfach an die Säcke gehen können, die hinter den Verkaufstischen sind, da sich dort die bereits verkauften Sachen befinden. Wenn es irgendwo was günstig gibt, können Menschen echt anstrengend werden… Ganz schön anstrengend also, der Tag. Umso schöner war dann der späte Abend. In Paris war Nuit Blanche, eine einjährige Aktion, bei der die ganze Nach Museen und Galerien offen sind und der Eintritt frei ist und es in den Straßen Aktionen, Musik und Installationen gibt. Ich bin zwar mit dem letzten Zug um 1 wieder nach Hause gefahren, es war aber trotzdem ein guter Abend und in der Stadt war echt was los. Schon cool, mal eben in den Zug zu steigen und ne Viertelstunde später mitten im Zentrum von Paris zu sein! Werde ich wohl morgen wieder machen. Aber erstmal werde ich ausschlafen! Sonntags und montags habe ich immer frei und so war ich heute Morgen mit ein paar Leuten von hier und vielen Jugendlichen aus der Gegend Fußball spielen.
Das war also mein erster Überblick zu Neuilly-Plaisance. Fotos von den letzten Tagen Étoile und natürlich noch mehr zu meinem Leben hier folgen!


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Sonntag, 26. September 2010

Vorbereitungsseminar in Étoile

Von Krokodilen und Rennrädern

Nun ist schon wieder einige Zeit vergangen und auch das Ankunftsseminars hier in Étoile ist fast rum. 13 Freiwillige und 3 Betreuer verbringen hier noch bis Dienstag die Zeit, dann geht es für mich endlich nach Neuilly-Plaisance. Für die anderen, Peter aus Deutschland (kenne ihn schon vom ICJA Seminar), Maria und Fernando aus Costa Rica, Alexandro aus Kolumbien, Andrea, Pedro und Felipe aus Bolivien, Ziggi aus Ghana, Santiago und Mario aus Honduras, Lilly aus Südkorea und Chiu-Hua aus Taiwan, geht es dann ebenfalls in die Projekte. Manche sind in St. Malo, Reims oder Nizza, aber auch kleineren Orten in Frankreich. Die Gruppe an sich ist jedenfalls nett und ich bin mal gespannt, von ihren Erfahrungen zu hören wenn wir uns bei den weiteren Seminaren wieder sehen. Außerdem wird es interessant zu sehen, wie gut wir uns dann auf Französisch unterhalten können. Noch läuft das Meiste hier auf Englisch, wobei der Großteil der Gruppe sich untereinander auf Spanisch unterhalten kann.

Heute ist der erste Tag, an dem das Wetter uns im Stich lässt. Bisher haben sich zwar die ersten Blätter braun gefärbt, doch die Sonne hat uns die meiste Zeit die Möglichkeit gegeben, sich auch draußen aufzuhalten und dabei nur ein T-Shirt zu tragen. Wir haben dann auch so oft wie möglich die Gelegenheit genutzt, raus zu gehen. So waren wir letzten Samstag wieder in Lyon, wo ich den Stadtführer für Fernando und Peter gegeben habe, da ich ja schon die Woche vorher dort war. Peter und ich versuchen außerdem, so oft wie möglich Sport zu machen. Sei es, dass wir hier auf der Straße neben der Kapelle, oder auf dem nicht weit von hier gelegenen Bolzplatz Fußball spielen, Klimmzüge und Liegestütze machen oder Fahrrad fahren. Ja, ich bin für meine Verhältnisse wirklich viel mit dem Drahtesel unterwegs. Nachdem ich mit Solennes Freund Richard in Grenoble einen Berg erklommen habe und in Lyon mit den Citybikes unterwegs war, haben wir uns bei der örtlichen Emmaüs Communauté ein paar alte Fahrräder ausgeliehen. Jetzt freu ich mich richtig auf mein Emmaüs in Neuilly-Plaisance, was noch deutlich größer sein soll als die Gemeinschaft hier. Aber auch Emmaüs Étoile, wo wir einen Vormittag verbracht haben, hatte schon einiges zu bieten. Peter und ich hatten großen Spaß durch den ganzen alten Kram zu stöbern. Dort gab es wirklich fast alles. Von alten Golfsets über Geschirr, Rollstühle, Schränke, Klaviere, Elektrogeräten bis hin zu Fahrrädern. Wir waren begeistert – auch wenn bei den guten Stücken mal die Bremse nicht funktionierte oder der Rahmen angerostet war. Schließlich haben wir aber ein paar Räder gefunden und zu sechst eine kleine Radtour zur Rhône unternommen, wo wir schließlich ein Picknick gemacht haben.Als Peter und ich dann unsere Schuhe auszogen, um unsere Füße im Fluss abzukühlen (an dem Tag hatten wir wieder super Wetter), meinten die beiden Mädels aus Taiwan und Südkorea, ob das denn nicht zu gefährlich sei, es könnte doch Krokodile geben. Zum Glück hat mich aber keins angegriffen und so habe ich noch meine beiden Füße!

Während der letzten Woche waren wir außerdem mehrmals in Valence. Um dort hin zu gelangen, nehmen wir das Auto bzw. ich nehme das Auto und gebe den Chauffeur für die anderen. Macht schon Bock, mit dem Kangoo durch die Gegend zu cruisen - mit dickem Sound natürlich! Einmal waren wir einkaufen (ich musste mir einfach mal wieder was kaufen - ein H&M Hemd und so ne Art dünneren Pulli, weiß nich wie das heißen soll), einmal abends im Kino (Hors la loi – ein sehr krasser Film über die algerische Unabhängkeitsbewegung) und gestern abend unterwegs. Nen richtigen Club haben wir zwar nicht gefunden, aber dafür eine ganz nette Bar, wo auch Musik lief. Lange geblieben bin ich allerdings nicht, da ich wieder den Fahrdienst gemacht habe. Hat aber auch Spaß gemacht, nachts über Land zu düsen und dabei Hip Hop zu hören. Mal schauen, ob ich in Paris auch Auto fahren werde und ob ich das überhaupt will. Obwohl es sicher ein super Training ist. Erstmal will ich dort aber an ein Fahrrad kommen!

Das Seminar an sich ist leider etwas enttäuschend. Es erweckt den Anschein als wüssten unsere Betreuer nicht wirklich, wie sie ein tagesfüllendes Programm aufstellen und dieses auch durchsetzen. Da bin ich vom ICJA ganz anderes gewöhnt. Auch die anderen kennen das so nicht und sind enttäuscht bis geschockt. Wir haben einfach zu viel Freizeit, aber zu wenig Angebot, dazu sind die wenigen Programmpunkte wie französisch Unterricht ziemlich mager. Naja, Dienstag ist es ja vorbei und es geht nach Neuilly-Plaisance! Ich freu mich einfach, endlich anzukommen und meinen Kram auspacken zu können, mich zuhause zu fühlen. Bin wirklich sehr gespannt, was mich dort erwartet!

So, das war ein kleiner Überblick über die Zeit hier in Étoile. Obwohl das Seminar wie erwähnt nicht so spannend war, hatte ich, da die anderen nett sind, meinen Spaß und habe auch wieder einige schöne Dinge gesehen. Die passenden Bilder folgen demnächst, u.a. von meiner Tour auf dem alten Rennrad, Fotos von Valence, Crest (einer sehr schönen Kleinstadt hier in der Nähe), Lyon und natürlich dem Seminar hier.